Arbeitsteilung der Eltern. Die Aufteilung der Erwerbsarbeit, der Hausarbeit und der Kinderbetreuung in Abhängigkeit vom Alter des Kindes | Munich Center for the Economics of Aging - MEA
Home
Publications

Publication Series of the MPI for Social Policy

Arbeitsteilung der Eltern. Die Aufteilung der Erwerbsarbeit, der Hausarbeit und der Kinderbetreuung in Abhängigkeit vom Alter des Kindes

Content

Familiensoziologische Forschung vernachlässigt bislang die Bedeutung des Kindesalters als Erklärung dafür, wie sich Eltern die Erwerbsarbeit, die Hausarbeit und die Kinderbetreuung aufteilen. Dabei ist es offenkundig, dass sich mit einem jugendlichen Kind andere Ausgestaltungsspielräume für die Eltern ergeben als mit einem Säugling. Gleichzeitig werden durch die Arbeitsteilung unmittelbar nach der Geburt eines Kindes Weichen gestellt, die die Arbeitsteilung in den nachfolgenden Jahren prägen können. Im Fokus dieser Dissertation stehen daher Forschungsfragen, die sich darauf beziehen, welche Rolle das Kindesalter für die Arbeitsteilung der Eltern spielt. Des Weiteren interessiert die Frage danach, welche Rolle Einflussfaktoren wie z.B. relative Ressourcen oder Geschlechterrolleneinstellungen für die Arbeitsteilung spielen und ob sich deren Bedeutung in Abhängigkeit vom Alter des Kindes verändert. Einen Theoriestrang stellen dabei ökonomische Theorien wie die familienökonomische Theorie und die Verhandlungstheorie dar; einen weiteren Theoriestrang bilden die geschlechterrollen-, normen- und identitätsbasierten Ansätze. Bei beiden Theoriesträngen wird in dieser Dissertation herausgearbeitet, welche Bedeutung dem Alter des Kindes jeweils zugeschrieben werden kann. Doch zusätzlich spielen auch in Deutschland gegebene institutionelle und kulturelle Rahmenbedingungen wie etwa familienpolitische Maßnahmen (wie z.B. Geldpolitiken, Zeitpolitiken und infrastrukturelle Regelungen) und Familienleitbilder eine wichtige Rolle. Daher werden Hypothesen abgeleitet, die Annahmen darüber machen, welche Rolle die Einflussfaktoren in verschiedenen Altersstufen des Kindes und unter den jeweiligen Rahmenbedingungen spielen. Es wird angenommen, dass die Einflussfaktoren bei unter 1- jährigen Kindern aufgrund von institutionellen Rahmenbedingungen noch keine Rolle spielen, aber dass die Bedeutung der Einflussfaktoren mit zunehmendem Alter des Kindes größer wird. Als Datengrundlage zur Beantwortung der Forschungsfragen dient der DJI-Survey „Aufwachsen in Deutschland: Alltagswelten“ (kurz: „AID:A“) von 2013/14. Anhand von diversen, multivariaten Analysen wird herausgearbeitet, welche Rolle das Alter des Kindes für die Arbeitsteilung der Eltern spielt und inwiefern sich die Bedeutung weiterer Einflussfaktoren in Abhängigkeit vom Alter des Kindes verändert. Die Ergebnisse zeigen, dass das Kindesalter von zentraler Bedeutung für die Aufteilung der Erwerbsarbeit ist, während es für die Aufteilung der Hausarbeit und der Kinderbetreuung nur eine geringere Rolle spielt. Während die Aufteilung der Erwerbsarbeit mit zunehmendem Alter des Kindes deutlich egalitärer wird, sind die Aufteilung der Hausarbeit und der Kinderbetreuung über das Kindesalter hinweg relativ traditionell. Mütter können mit dem Älterwerden des Kindes somit größere Erwerbsoptionen realisieren, aber offenbar nicht, weil die Väter stärker in die Kinderbetreuung einsteigen, sondern eventuell, weil die Kinder weniger betreuungsintensiv sind oder die institutionellen und kulturellen Rahmenbedingungen dies besser ermöglichen. Aus den Ergebnissen geht hervor, dass niedrigere Ressourcen der Mütter (im Vergleich zu den Ressourcen der Väter) einen negativen Effekt auf den Erwerbsanteil der Mütter haben, aber höhere Ressourcen der Mütter zeigen dagegen keinen positiven Effekt auf den Erwerbsanteil der Mütter. Die relativen Ressourcen haben somit keinen symmetrischen, geschlechtsunabhängigen Effekt. Gleiches trifft auch für die Aufteilung der unbezahlten Arbeit zu: Hier zeigt sich, dass Mütter mehr Hausarbeit und mehr Kinderbetreuung übernehmen, wenn sie niedrigere Ressourcen haben; aber sie übernehmen umgekehrt nicht weniger Hausarbeit und nicht weniger Kinderbetreuung, wenn sie höhere Ressourcen als die Väter haben. Die altersspezifischen Hypothesen hierzu, d.h. dass die Bedeutung der relativen Ressourcen bei kleineren Kindern geringer ist als bei älteren Kindern, können in den meisten Fällen nicht bestätigt werden. Insgesamt kommt den relativen Ressourcen aber nur eine geringe Bedeutung zu. Bei den Geschlechterrolleneinstellungen zeigt sich, dass egalitäre Einstellungen mit einer egalitäreren Aufteilung der Erwerbsarbeit, der Hausarbeit und der Kinderbetreuung einhergehen. Die altersspezifischen Annahmen, dass die Geschlechterrolleneinstellungen bei kleineren Kindern einen geringeren Effekt und bei älteren Kindern einen stärkeren Effekt haben, können für alle drei Dimensionen der Arbeitsteilung dagegen größtenteils nicht bestätigt werden. In vertiefenden Analysen werden die Geschlechterrolleneinstellungen darüber hinaus anhand einer latenten Klassenanalyse multidimensional abgebildet: Hieraus gehen die drei latenten Klassen „intensive mothering/parenting“, „egalitärer Essentialismus“ und „egalitär“ hervor. Auch diese Klassen haben signifikante Effekte auf die Arbeitsteilung: In der Klasse des „intensive mothering/parenting“ sind Erwerbsarbeit, Hausarbeit und Kinderbetreuung am traditionellsten aufgeteilt, in der „egalitären“ Klasse am egalitärsten und die Klasse des „egalitären Essentialismus“ befindet sich zwischen diesen beiden Extremen. Allerdings gibt es auch hier in der Regel keine signifikante Veränderung in Abhängigkeit vom Alter des Kindes, d.h. die Einstellungen spielen für die Arbeitsteilung der Eltern in den meisten Altersstufen des Kindes eine gleich große Rolle. Zusammenfassend lassen sich die Ergebnisse wie folgt interpretieren: Dass die meisten Einflussfaktoren bei einem geringen Kindesalter noch keine große Rolle spielen, kann auf ungünstige institutionelle und kulturelle Rahmenbedingungen zurückgeführt werden. Die Tatsache, dass die Einflussfaktoren bei älteren Kindern jedoch entgegen den Erwartungen nicht bedeutend an Stärke gewinnen, kann möglicherweise darauf zurückgeführt werden, dass bereits im sehr jungen Kindesalter Weichen für die Arbeitsteilung gestellt wurden und so bisherige Arbeitsteilungsmuster (insbesondere bei der Aufteilung der Hausarbeit und der Kinderbetreuung) beibehalten werden. Die vorliegende Dissertation liefert hiermit neue und detaillierte Einblicke darüber, wie sich Eltern die Erwerbsarbeit und die Familienarbeit in Abhängigkeit vom Alter des Kindes aufteilen und bildet dabei alle Altersstufen des Kindes ab – angefangen vom Kleinkind- und Kindergartenalter bis hin zum Grundschul- und Jugendalter.

Publication Details
Magdalena_Gerum

Magdalena Gerum

2021
S. 318
Georg-August-Universität Göttingen
online first