Eine alternde Gesellschaft braucht die Jugend mehr denn je – und muss sie schützen
Von Axel Börsch-Supan
Der Bundestag hat jüngst die größte Rentenerhöhung seit mehreren Jahrzehnten beschlossen. Wir können stolz darauf sein, dass wir einen Sozialstaat haben, der die Folgen der Pandemie für die Beschäftigten durch die Kurzarbeiterregelungen und für die Rentnerinnen und Rentner durch die Rentengarantie so weit abgemildert hat, dass es in unserem Land zu keinen schwerwiegenden Einkommensverlusten gekommen ist. Dass dies durch eine erhöhte Schuldenaufnahme finanziert wird, ist selbstverständlich, bringt uns aber ins Obligo bei der jüngeren Generation.
Es war ein komplizierter Beschluss. Ob die entsprechenden Berechnungsvorschriften des Sozialgesetzbuchs für Bundestagsabgeordnete, gar für den Normalbürger noch verständlich sind, darf bezweifelt werden. Hier gibt es Änderungs- und Vereinfachungsbedarf, damit das Rentenrecht wieder transparent wird – vor allem der Zusammenhang zwischen Rentenerhöhungen zugunsten der älteren Generation und Beitragserhöhungen zuungunsten der jüngeren Generation.
Es stellen sich daher Fragen der Generationengerechtigkeit und der fiskalischen Klugheit. Natürlich ist es das Recht der Bundesregierung, Ermessungsspielräume bei der Berechnung der Rentenanpassung nach ihren Vorstellungen auszunutzen. Auffällig ist aber, dass sie alle in eine Richtung zeigen, nämlich großzügig gegenüber den Rentnerinnen und Rentnern. Das ist erfreulich für diese große Wählerschicht, geht aber auf Kosten der jüngeren Generation, weil es den Rückgang der Nachhaltigkeitsreserve beschleunigt und zu einer höheren Belastung der Beitragszahler und, über den Bundeszuschuss, zu einer höheren Belastung der Steuerzahler führt. Ob diese konsequente Mehrbelastung der jüngeren Generation gerecht ist, müssen die Abgeordneten vertreten – auch diejenigen, die sich das Schlagwort der Generationengerechtigkeit im Wahlkampf zu eigen gemacht haben.
Was fiskalische Klugheit angeht, ist klar, dass der Bundeshaushalt durch die Folgekosten der Pandemie und des Ukraine -Krieges, zudem durch dringend nötige Zukunftsinvestitionen in Klima, Infrastruktur und Bildung bereits unter großem Druck steht. Ob es in dieser Situation klug ist, eine außerordentlich hohe und den Bundeshaushalt auf lange Zukunft hin weiter belastende Rentenanpassung herbeizuführen, ist zweifelhaft. Auch das müssen die Abgeordneten aller Fraktionen verantworten, wenn sie die langfristige Zukunft unseres Landes ins Auge nehmen. Sie hängt von den noch zu finanzierenden Zukunftsinvestitionen in unsere Jugend ab.
Weiterführende Informationen:
Lesen Sie >> hier die Stellungnahme von Prof. Dr. h.c. Axel Börsch-Supan, Ph.D. zur öffentlichen Anhörung von Sachverständigen in Berlin am 30. Mai 2022 (pdf)
Entwurf eines Gesetzes zur Rentenanpassung 2022 und zur Verbesserung von Leistungen für den Erwerbsminderungsrentenbestand (Rentenanpassungs- und Erwerbsminderungsrenten Bestandsverbesserungsgesetz) >> Drucksache 20/1680 (pdf)
Pressemitteilung vom 30. Mai 2022: Deutscher Bundestag: MEA Direktor Experte bei Anhörung zur Rentenanpassung 2022