"In der EU bekommt man nichts für nichts"
Prof. Brigid Laffan analysiert Entwicklung der steuerlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit der EU
Das Thema war so heiß wie die Temperaturen am 15. Juli, als Brigid Laffan, emeritierte Professorin am Europäischen Hochschulinstitut, ihren gut besuchten Vortrag über "Öffentliche Finanzen, Krisen und EU-Integration" im Rahmen des Max Planck Hub Fiscal and Social Hub in München hielt. Als vielfach ausgezeichnete Expertin für die europäische Integration zeichnete sie ein umfassendes Bild der zentralen Rolle, die die öffentlichen Finanzen im Integrationsprozess der EU gespielt haben. Sie ging dabei insbesondere auf die Frage ein, in welcher Weise die steuerliche und finanzielle Leistungsfähigkeit der EU seit den frühen 1950er Jahren bis heute gewachsen ist.
Prof. Laffan identifizierte drei kritische Zeitpunkte in diesem Prozess, den sie in vier Phasen unterteilte: Der erste war, in Phase 1 (1952-1991), die Schaffung eines Binnenmarktes mit der 1986 verabschiedeten Einheitlichen Europäischen Akte. Diese Zeit wurde stark von Verhandlungen über Verteilungsfragen begleitet. Wie Prof. Laffan hervorhob: "In der EU bekommt man nichts für nichts". Sie war auch geprägt von den Bemühungen, einen Haushaltskonflikt zu beenden, der "die EU untergrub", da insbesondere das Vereinigte Königreich und das Europäische Parlament den Haushalt regelmäßig ablehnten. Infolgedessen wurde 1988 der erste mehrjährige Finanzrahmen verabschiedet, der den EU-Finanzen eine gewisse Stabilität verlieh.
Die "Flitterwochen der gemeinsamen Währung", wie Prof. Laffan es ausdrückte, fielen in die zweite Phase (1992-2009), in der die Wirtschafts- und Währungsunion umgesetzt wurde. Schon damals war jedoch klar, dass die vertiefte gegenseitige Abhängigkeit der Mitgliedstaaten eine Anfälligkeit mit sich brachte, die jedoch nicht eingestanden wurde – und das, obwohl der Delors-Bericht von 1988 davor warnte, dass die Wirtschaftsunion schwerwiegenden wirtschaftlichen und politischen Risiken ausgesetzt sein würde, wenn regionale Ungleichgewichte nicht ausreichend berücksichtigt würden.
Der zweite kritische Zeitpunkt ist in der dritten Phase (2009-2019) zu finden, dem "Jahrzehnt der Krise", in dem die Defizite des Konzepts und der Architektur der Eurozone aufgrund von Mängeln im Bankensystem nur allzu deutlich wurden. Die Krise der Eurozone löste massive finanzielle Hilfsprogramme aus, allesamt Lösungen außerhalb des EU-Budgets, insbesondere die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) und der Europäische Finanzstabilisierungsmechanismus (EFSM), die später vom Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) abgelöst wurden.
Der ESM wurde jedoch in Phase 3, der COVID-19-Pandemie, nicht in Anspruch genommen. Stattdessen billigten die Staats- und Regierungschefs das Programm Next Generation EU (NGEU), dessen Kernstück die Aufbau- und Resilienzfazilität (ARF) ist. Damit hätten sie mit dem "Tabu der Kreditaufnahme" gebrochen, betonte Prof. Laffan. Angesichts der Notlage war die gemeinsame Kreditaufnahme in großem Umfang nun eine politische Option. Sollte die Evaluierung des ARF, die nach dem Auslaufen des Fonds Ende 2026 durchgeführt wird, jedoch zu dem Ergebnis kommen, dass dieses ein weniger erfolgreiches Instrument war, "könnte dies die fiskalische Integration diskreditieren".
Weitere Milliarden investiert die EU derzeit in Phase 4, die Prof. Laffan "Klima und Krieg" nannte. Allein die Europäische Friedensfazilität umfasst mehr als 17 Milliarden für die Jahre 2021-2027, ebenfalls außerhalb des EU Budgets.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die aufeinanderfolgenden Krisen, mit denen die EU ab 2009 zu kämpfen hatte – insbesondere die Krise in der Eurozone, die Pandemie und der Krieg in der Ukraine, eine Reihe von Finanzinstrumenten und neuen Fonds hervorbrachten. Die öffentlichen Finanzen sind dabei zu einem wichtigen Teil des Kriseninstrumentariums der EU geworden. Dennoch ist ihre Rolle im europäischen Integrationsprozess nach wie vor stark umstritten, da die Mitgliedstaaten versuchen, ihre Souveränität zu wahren. Sie "müssen sich jedoch mit der starken gegenseitigen Abhängigkeit auseinandersetzen", erklärte Prof. Laffan. Letzten Endes "bedeutet, ein Mitgliedstaat zu sein, sich einer kollektiven Unternehmung zu unterwerfen".