Chancen und Grenzen kommunaler Bildungspolitik | Max-Planck-Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik - MPISOC
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26.07.2023 / Sozialrecht

Chancen und Grenzen kommunaler Bildungspolitik

Markus Schön
Markus Schön, Stadtdirektor für Bildung, Jugend, Arbeit, Sport, Migration und Integration in Krefeld

Die deutsche Bildungslandschaft besteht aus einem bunten Strauß an Angeboten formaler und nicht-formaler Bildung. Genau darin liegt oftmals auch ihr Problem, denn es ist nicht leicht, den Überblick darüber zu behalten, wer wann für was zuständig ist. Die Bereitstellung von Kita-Plätzen, einschließlich der Hort-Plätze, fällt in den Aufgabenbereich der Kommunen, wohingegen die Trägerschaft von Schulen bei Kommunen oder dem Land liegt. Während die Länder gemäß der verfassungsrechtlich garantierten Kultushoheit (Art. 7, 70 GG) für schulische Inhalte und das Lehrpersonal zuständig sind (innere Schulangelegenheiten), müssen sich die Kommunen um Bau und Ausstattung der Schulen kümmern (äußere Schulangelegenheiten). Die außerschulische Kinder- und Jugendarbeit (z.B. Freizeiteinrichtungen, Beratungen), die von einer Vielzahl freier Träger durchgeführt wird, liegt in der Regel in der Verantwortung des kommunalen Jugendamts, das wiederum meist dem Sozialamt unterstellt ist – und damit nicht zwangsläufig in demselben Referat angesiedelt wie Schulen und Kitas.  

Welchen Herausforderungen als Folge unterschiedlicher Zuständigkeiten Städte und Gemeinden in der Bildungspolitik gegenüberstehen, legte Markus Schön am Max-Planck-Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik in seinem Vortrag "Kommunale Bildungslandschaften als kommunale Sozialpolitik" dar. Der Jurist und Stadtdirektor für Bildung, Jugend, Arbeit, Sport, Migration und Integration in Krefeld nannte insbesondere die Bereiche Inklusion und Digitalisierung, aber auch die Bereitstellung der baulichen Infrastruktur, in denen die Kommunen an ihre Grenzen gerieten. Gerade bei der Digitalisierung wäre eine Änderung der Trennung in innere und äußere Schulangelegenheiten dringend notwendig, sagte Schön.

Damit kommunale Bildungspolitik erfolgreich sein kann und beispielsweise Brüche in der Bildungsbiographie verhindert werden, müssen die Bildungseinrichtungen einerseits untereinander und andererseits mit sonstigen Einrichtungen kommunaler Sozialpolitik eng kooperieren. Die Stadt Krefeld, die durch ein hohes Maß an sozialer und ethnischer Segregation gekennzeichnet ist, versucht mit einem ganzheitlichen Konzept, herkunftsbedingte Benachteiligungen auszugleichen und mehr Bildungsgerechtigkeit herzustellen. Es kombiniert familienunterstützende Maßnahmen mit frühkindlicher, schulischer und außerschulischer Bildung und Erziehung. Dazu gehört unter anderem die Entwicklung eines gemeinsamen Bildungs- und Erziehungsverständnisses für Kitas und Grundschulen sowie die Systematisierung und Begleitung der Übergänge, z.B. von der Grundschule in die weiterführende Schule.

Eine enge Zusammenarbeit von Schulen mit der Jugendhilfe, der Schulsozialarbeit und der Schulpsychologie ist auch beim Thema "Schulabsentismus" gefragt, der ein zunehmendes Problem sei, wie Schön feststellte. Die starren Zuständigkeiten von Bund, Ländern und Kommunen stünden einer verbindlichen Kooperation zwischen Schulen und den Sozialleistungsträgern jedoch oftmals im Weg. Schädlich sei auch, dass die aktuellen Diskussionen zur Haushaltsdisziplin auf Bundesebene ausschließlich im Bereich der Familien- und Bildungspolitik geführt würden, obwohl gerade hier nach der Corona-Pandemie der Investitionsbedarf am größten wäre, kritisierte der Stadtdirektor. Die Ergebnisse der jüngsten IGLU-Studie zur Lesekompetenz seien in höchstem Maße beunruhigend: Ein Viertel der Viertklässler verfehlte die Mindeststandards.

Angesichts dieser Entwicklungen ist es höchste Zeit, sich eines afrikanischen Sprichworts zu besinnen, anstatt im Kompetenzgerangel die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen aus den Augen zu verlieren: "Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen."