Szenarien für eine nachhaltige Finanzierung der Gesetzlichen Rentenversicherung | Max-Planck-Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik - MPISOC
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20.09.2016 / Sozialpolitik (MEA)

Szenarien für eine nachhaltige Finanzierung der Gesetzlichen Rentenversicherung

MEA Studie analysiert Szenarien aus der aktuellen Rentendebatte

München, August 2016. Im  Laufe  des  Jahres  2016  ist  es  zu  einer  neuerlichen  Rentendiskussion   gekommen. Insbesondere wird in dieser Debatte die Aufteilung der Finanzierungslast des  demographischen Wandels zwischen den Generationen in Frage gestellt. Die Fixierung eines höheren Sicherungsziels, als es derzeit im Sozialgesetzbuch verankert ist, wurde ins Spiel gebracht.

Die MEA-Studie hat drei Ziele. (1) Erstens legen wir eine langfristige Vorausschätzung der wichtigsten Kenngrößen der Gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) bis zum Jahr 2060 vor (2) Zweitens zeigen wir die Auswirkungen der zurzeit im politischen Diskurs kursierenden  Reformvorschläge auf  den  Beitragssatz,  das  Rentenniveau  und  die  finanzielle  Lage der GRV. (3) Drittens berechnen wir die Konsequenzen eigener Vorschläge zur Anpassung der GRV an den demographischen Wandel (Anpassung Renteneintrittsalter an die Lebenserwartung / Definition Standardrentner).

Zentrale Ergebnisse sind:

  • Die  Lage  der  GRV  ist  bis  2030,  dem  Zeithorizont  des  aktuellen Rentenversicherungsberichts,stabil. Bei  derzeitiger  Rechtslage  wird  der  Beitragssatz  jedoch  ab  2031 (Verrentung der Babyboomer) die  22%-Marke  überschreiten und  das  Nettorentenniveau  vor  Steuern  wird  ab  2036  die  43%-Grenze  unterschreiten, wenn die Menschen zum gleichen Alter in Rente gehen wie heute.
  • Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Kaufkraft der Renten sinken wird, denn das Rentenniveau beschreibt nicht die Kaufkraft der Rentenzahlungen. Im Gegenteil wird die Kaufkraft der Renten weiter steigen, allerdings weniger schnell als die der Löhne. Die Kaufkraft der Renten in 30 Jahren wird etwa 30% höher liegen als heute.
  • Pläne, für die Festlegung einer Untergrenze für das Nettorentenniveau vor Steuern würden nach 2030 zu erheblichen Mehrkosten führen. Eine  Fixierung  des  Nettorentenniveaus  auf  46%  (50%)  würde  Mehrkosten  von  ca.  17,5  (38)  Mrd.  Euro im Jahr verursachen und den Beitragssatz im Jahr 2040 auf über 24% (26%) anheben.
  • Eine automatische Anpassung des Renteneintrittsalters an die Lebenserwartung und eine dementsprechende Anpassung der Lebensarbeitszeit des Standardrentners kann das  Sicherungsniveau  dagegen  dauerhaft  über  45%  halten,  ohne  dass  es  zu  einer  Erhöhung des Beitragssatzes über 23% kommen muss.
  • Der Anstieg der Nettomigration (Differenz der Zu- und Abwanderer) hätte einen positiven Effekt auf die Entwicklung der GRV, wenn – und nur wenn – die Integration in den Arbeitsmarkt gelingt: Steigt die Nettomigration, sinkt der Beitragssatz. Doch selbst bei einer Nettomigration von 300 000 Menschen pro Jahr kann eine Beitragssatzsteigerung ab 2019 nicht verhindert werden.

Unsere langfristigen Vorausberechnungen zeigen,  dass  es  keine  finanziellen  Spielräume  gibt,  den Leistungsumfang der Sozialsysteme auszuweiten. Im Gegenteil, es ist weiterhin notwendig Reformen zur langfristigen Finanzierbarkeit der GRV in Angriff zu nehmen. Eine höhere Untergrenze des Nettorentenniveaus ist daher überflüssig und kann nicht nachhaltig finanziert werden. Wenn man die größte Hebelwirkung erreichen will, sollte man Reformmaßnahmen an der Hauptursache des Problems orientieren. Sinnvoll ist es daher, das Regelrenteneintrittsalter und die Lebensarbeitszeit des Standardrentners so an die steigende Lebenserwartung anzupassen, dass die Proportionen von Arbeits- und Rentenbezugszeit (2:1) in Zukunft automatisch erhalten bleiben. Das hieße konkret: Drei Jahre länger leben entsprächen einem Jahr länger in Rente, das durch zwei Jahre länger in Arbeit nachhaltig finanziert wird.

Lesen Sie hier das ausführliche MEA Diskussions Papier 03-2016 (PDF).