Szenarien für eine nachhaltige Finanzierung der Gesetzlichen Rentenversicherung
München, August 2016. Im Laufe des Jahres 2016 ist es zu einer neuerlichen Rentendiskussion gekommen. Insbesondere wird in dieser Debatte die Aufteilung der Finanzierungslast des demographischen Wandels zwischen den Generationen in Frage gestellt. Die Fixierung eines höheren Sicherungsziels, als es derzeit im Sozialgesetzbuch verankert ist, wurde ins Spiel gebracht.
Die MEA-Studie hat drei Ziele. (1) Erstens legen wir eine langfristige Vorausschätzung der wichtigsten Kenngrößen der Gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) bis zum Jahr 2060 vor (2) Zweitens zeigen wir die Auswirkungen der zurzeit im politischen Diskurs kursierenden Reformvorschläge auf den Beitragssatz, das Rentenniveau und die finanzielle Lage der GRV. (3) Drittens berechnen wir die Konsequenzen eigener Vorschläge zur Anpassung der GRV an den demographischen Wandel (Anpassung Renteneintrittsalter an die Lebenserwartung / Definition Standardrentner).
Zentrale Ergebnisse sind:
- Die Lage der GRV ist bis 2030, dem Zeithorizont des aktuellen Rentenversicherungsberichts,stabil. Bei derzeitiger Rechtslage wird der Beitragssatz jedoch ab 2031 (Verrentung der Babyboomer) die 22%-Marke überschreiten und das Nettorentenniveau vor Steuern wird ab 2036 die 43%-Grenze unterschreiten, wenn die Menschen zum gleichen Alter in Rente gehen wie heute.
- Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Kaufkraft der Renten sinken wird, denn das Rentenniveau beschreibt nicht die Kaufkraft der Rentenzahlungen. Im Gegenteil wird die Kaufkraft der Renten weiter steigen, allerdings weniger schnell als die der Löhne. Die Kaufkraft der Renten in 30 Jahren wird etwa 30% höher liegen als heute.
- Pläne, für die Festlegung einer Untergrenze für das Nettorentenniveau vor Steuern würden nach 2030 zu erheblichen Mehrkosten führen. Eine Fixierung des Nettorentenniveaus auf 46% (50%) würde Mehrkosten von ca. 17,5 (38) Mrd. Euro im Jahr verursachen und den Beitragssatz im Jahr 2040 auf über 24% (26%) anheben.
- Eine automatische Anpassung des Renteneintrittsalters an die Lebenserwartung und eine dementsprechende Anpassung der Lebensarbeitszeit des Standardrentners kann das Sicherungsniveau dagegen dauerhaft über 45% halten, ohne dass es zu einer Erhöhung des Beitragssatzes über 23% kommen muss.
- Der Anstieg der Nettomigration (Differenz der Zu- und Abwanderer) hätte einen positiven Effekt auf die Entwicklung der GRV, wenn – und nur wenn – die Integration in den Arbeitsmarkt gelingt: Steigt die Nettomigration, sinkt der Beitragssatz. Doch selbst bei einer Nettomigration von 300 000 Menschen pro Jahr kann eine Beitragssatzsteigerung ab 2019 nicht verhindert werden.
Unsere langfristigen Vorausberechnungen zeigen, dass es keine finanziellen Spielräume gibt, den Leistungsumfang der Sozialsysteme auszuweiten. Im Gegenteil, es ist weiterhin notwendig Reformen zur langfristigen Finanzierbarkeit der GRV in Angriff zu nehmen. Eine höhere Untergrenze des Nettorentenniveaus ist daher überflüssig und kann nicht nachhaltig finanziert werden. Wenn man die größte Hebelwirkung erreichen will, sollte man Reformmaßnahmen an der Hauptursache des Problems orientieren. Sinnvoll ist es daher, das Regelrenteneintrittsalter und die Lebensarbeitszeit des Standardrentners so an die steigende Lebenserwartung anzupassen, dass die Proportionen von Arbeits- und Rentenbezugszeit (2:1) in Zukunft automatisch erhalten bleiben. Das hieße konkret: Drei Jahre länger leben entsprächen einem Jahr länger in Rente, das durch zwei Jahre länger in Arbeit nachhaltig finanziert wird.
Lesen Sie hier das ausführliche MEA Diskussions Papier 03-2016 (PDF).