Im Rahmen der interdisziplinären Wissenschaftsinitiative „Challenges of Migration, Integration and Exclusion“ der Max-Planck-Gesellschaft untersuchte die rechtswissenschaftliche Abteilung des Instituts die Rolle der Gesetzgebung im Lichte der stark ansteigenden Asylantragszahlen seit dem Jahr 2012. Analysiert wurden zum einen die umfangreichen legislativen Maßnahmen, die Deutschland von 2014 bis 2019 zur Bewältigung der „Flüchtlingskrise“ ergriffen hat, zum anderen deren mögliche Auswirkungen auf die Rechte von schutzbedürftigen Personen. Die Forschung konstatiert eine „Hyperaktivität“ der deutschen Legislative mit mehr als 40 Änderungsgesetzen in nur fünf Jahren. Sie kann nicht allein als Reaktion auf den Stillstand der Verhandlungen zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) auf EU-Ebene sowie den rasanten Anstieg der Asylanträge in der „EU+“ im Allgemeinen und in Deutschland im Besonderen angesehen werden, da weitere Faktoren, wie das zunehmende Sicherheitsdispositiv, aber auch der Wunsch, Integration partiell zu fördern, die gesetzlichen Entwicklungen ebenso prägen.
Das Projekt kommt unter anderem zu dem Ergebnis, dass das komplexe Normengefüge aus internationalem, europäischem und nationalem Recht, die dezentrale Umsetzung der europäischen Regelungen durch die Mitgliedstaaten und der in Deutschland bestehende Exekutivföderalismus die Zersplitterung des Rechts verschärfen, was sowohl der systemischen Kohärenz als auch der Rechtssicherheit abträglich ist. Letztlich führt die hyperaktive Gesetzgebung zu Umsetzungslücken und einer – teilweise unbeabsichtigten – Übertragung von Ermessensspielräumen an die Exekutive, was wiederum die Steuerungskraft von Gesetzen einschränkt, ihre homogene Anwendung behindert und die Gefahr birgt, dass Mindeststandards zum Schutz der Rechte von Migrant/innen unterlaufen werden.