Leistungssysteme zur Existenzsicherung im Sinne einer Mindestsicherung haben sich in Europa seit dem Ende des 2. Weltkriegs verbreitet. Handelte es sich zunächst um bedürftigkeitsabhängige Geldleistungen für Menschen mit einem Einkommen unterhalb einer festgelegten Grenze nach dem englischen Muster der Social Assistance von 1948, veränderten sich die Leistungssysteme in den folgenden Jahrzehnten vor allem durch die Verknüpfung der Geldleistungen mit anderen Maßnahmen, insbesondere Maßnahmen der Hilfe zur Beschäftigung und zur sozialen Eingliederung. Mit der jüngsten Generation von Existenzsicherungssystemen richtet sich der Fokus nun immer stärker auf aktive Mitwirkungspflichten der Leistungsberechtigten im Hinblick auf eine möglichst rasche Arbeitsmarktintegration. Was aber bedeutet dieses „Workfare-Paradigma“ in Zeiten der zunehmenden Verbreitung prekärer, nicht existenzsichernder Arbeitsverhältnisse, und einer wachsenden Zahl an working poor? Wenn durch den digitalen Wandel die Arbeitsmöglichkeiten schrumpfen oder im Zuge von Globalisierungsstrategien ins Ausland verlagert werden? Wenn die Arbeitskraftnachfrage schlicht nicht vorhanden ist, weil aus ökologischen Gründen die Grenzen des Wachstums erreicht sind? In vielen Ländern bestehen erhebliche Diskrepanzen zwischen der Programmatik der Arbeitsmarktaktivierung als Voraussetzung für den Bezug existenzsichernder Leistungen (die zum Teil mit erheblichen Sanktionen bewehrt ist), und der konkreten Arbeitsmarktrealität.
Vor diesem Hintergrund werfen die rechtlichen Rahmenbedingungen der Existenzsicherung grundlegende Fragen auf, die mit dem damit verbundenen Menschenbild, der Begründung für Leistungen in integrierten Systemen, aber auch ihrer Eignung zur Förderung des sozialen Zusammenhalts zusammenhängen.